© Schachclub Bayer Leverkusen e.V.

Wuppertal, im Januar 2007

Dr. Michael Negele                                                              

 

 

„Auf der Bühne und hinter den Kulissen“


Subjektive Eindrücke von der historischen Entwicklung eines Turniers
(Offene Leverkusener Stadtmeisterschaft im Wandel der Zeiten)


“Шахматы на сцене и за кулисами“ betitelte der mittlerweile 84jährige russische Großmeister, WM-Kandidat und Endspiel-Spezialist Juri Awerbach sein autobiographisches Werk aus dem Jahre 2003. Ob der Moskauer Schachfreund darin alles offenbart, was ihm in seiner langen Funktionärslaufbahn bekannt wurde, wagt der kritische Leser zu bezweifeln …
Ähnlich sollte man diesen Bericht verstehen:
Man muß nicht alles Wahrgenommene explizit zu Papier bringen, denn wie in unseren Schachpartien finden sich die schönsten Abspiele oft in scheinbar unbedeutenden Nebenvarianten.

Somit sei nun ein wenig Vergangenheitsbewältigung betrieben, ehe das Turnier 2007 neue Schlagzeilen und Resultate schafft:

Wie lange ein Turnier um den Meistertitel der Stadt Leverkusen bereits ausgetragen wurde, konnte der Autor nicht exakt ermitteln. Auf jeden Fall fand 1987 das auf Leverkusener Bürger bzw. Vereinsmitglieder der Leverkusener Schachvereine beschränkte Turnier erstmalig im Frühjahr statt, bei 24 Teilnehmern hieß nach sieben Runden der Titelträger Klaus Scharff, der 6 Punkte erzielte.
Bereits im Jahre 1988 mischte der Chronist – seit März 1987 Mitarbeiter der BAYER AG, Leverkusen und wohnhaft in Lützenkirchen – unter 34 Teilnehmern erstmalig mit und durfte sich mit 6 Punkten (aus 7 Partien) nach einem glücklichen Stichkampf-Sieg über Holger Ohst Stadtmeister nennen.
Erstmalig als offenes Turnier organisiert wurde die Stadtmeisterschaft von Leverkusen dann im Folgejahr durch Rudolf Breuer und Ulrich Milz; dazu wurden neun Runden mit 51 Teilnehmern jeweils am Mittwoch im Schachheim Nobelstr. ausgetragen.
Wahrscheinlich wollte man damals durch eine Aufstockung um zwei Runden die Verzögerung des Turnierendes durch notwendige Stichkämpfe um den Titel vermeiden. Diese Befürchtung erwies sich als (vorerst) unbegründet:
Klarer Sieger 1989 wurde Lutz Siebert mit 8 Punkten vor Peter Abend, Alois Kocur, Werner Kies und dem Titelverteidiger Michael Negele mit je 6,5 Punkten. Damals verkündete der Vorsitzende des Stadtsportbundes Peter Klug im „Stadt-Anzeiger“: „Stadtsportbund will am Ball bleiben“, immerhin gab es 1990 500 DM (zuvor 300 DM) Zuschuß zum Preisgeld.

Das Turnier entwickelte sich zwar zögerlich, aber stetig zu einer „festen Größe“ im Turnierkalender der Region:

1990 (42 Teilnehmer) wurden mit Alois Kocur (8 Punkte) vor Michael Negele (7,5 Punkte) und 1991 (36 Teilnehmer) erneut mit Lutz Siebert (8 Punkte) vor Michael Negele (7 Punkte) jeweils eindeutige Sieger ermittelt.
Aber schon 1992 (52 Teilnehmer) war wieder eine Verlängerung erforderlich, die Frank Reinemer (7 Punkte) vor den punktgleichen Lutz Siebert und Volker Epding erst im Schnellschach für sich entschied. In den Jahren 1993 (Wieder siegte Lutz Siebert mit 8 aus 9, bei einer in der Nobelstr. kaum zu bewältigenden Rekord-Teilnehmerzahl von 70 Spielern.) und 1994 (Sieger Frank Reinemer mit 7,5 aus 9; „nur“ 44 Teilnehmer.) lief alles glatt, dann aber ereignete sich 1995 ein „Super-GAU“:
Mit Markus Balduan, Werner Kies, Dieter Müller, Michael Lütt und Michael Negele landeten im „Foto-Finish“ fünf Spieler bei 6,5 Punkten und erst in einem weiteren Rundenturnier konnte der Sieger (Markus Balduan) ermittelt wurde. Der dann zu verzeichnende deutliche Schwund auf 37 Meldungen hatte vermutlich folgende Ursache: Das Turnier, mittlerweile ausschließlich durch Werner Kies organisiert, war auf den Freitag verlegt worden, der als Spielabend aber bekanntermaßen nicht von allen Schachfreunden favorisiert wird.
Nur ein Jahr blieb dem Veranstalter solches „Nachsitzen“ bis in den Sommer erspart:
1996 lag Lutz Siebert zu vierten Mal vorne (7,5 Punkte bei 50 Teilnehmern), doch 1997 (34 Spieler bedeuteten für die zehnte offene Meisterschaft weiteres Minus.) waren Lutz Siebert und Frank Reinemer dem Feld mit je 8 aus 9 überlegen enteilt. Über das Resultat des Stichkampfes konnte „auf die Schnelle“ nichts Endgültiges in Erfahrung gebracht werden, doch vermutlich war Frank Reinemer der Glücklichere in einem spontan vereinbarten „Blitzduell“*.
1998 gelang es dann Michael Negele in einem spannenden Remisfinale mit Markus Balduan, sich in die Siegerliste der offenen Meisterschaft einzutragen. Dazu waren  7,5 Punkte erforderlich, immerhin traten wieder 44 Teilnehmer letztmalig im Schachheim Nobelstr. jeweils freitags an.
Über das Turnier 1999 weiß man hingegen kaum etwas zu berichten, denn mehr als eine magere Turniertabelle findet sich in Tschaturanga Nr. 23 nicht, offenbar war unser Fokus damals auf das ELO-Wertungsturnier, ausgetragen über die Jahreswende 1998/1999, gerichtet. Markus Balduan konnte mit einem fabelhaften 9 aus 9-Sieg bei 41 Teilnehmern einen sicherlich „einsamen Rekord“ aufstellen. Gespielt wurde am Freitag in den Rheinterrassen, da sich das neue Schachheim Schulstr. für größere Turniere als ungeeignet erwies.

2000
waren trotz des eher ungeliebten Freitagtermins - wohl wegen der beträchtlichen Erhöhung des Preisfonds auf fast 2500 DM und der von Pressewart und Organisator Dieter Müller angekurbelten Werbung - viele „neue Gesichter“ in den Rheinterrassen unter den 56 Teilnehmern zu finden, Sieger wurde Dmitrii Marcziter (7,5 Punkte) vor Efim Rotstein und Oliver Kniest (je 7 Punkte).
2001 stand uns dann die Bürgerhalle in Wiesdorf zur Verfügung und man entschloß sich vor allem aus Kostengründen, die Stadtmeisterschaft an einem Montag auszutragen – somit erstmalig in Konkurrenz zu unseren Klubabenden. Das hatte leicht positiven Einfluß auf die Beteiligung (58 Meldungen), vor allem viele unserer Vereinsmitgliedern nahmen die Gelegenheit zu ersten Mal wahr. Diesmal hatte Efim Rotstein mit 7,5 Punkten „die Nase vorne“ vor dem erfreulich erfolgreichen Werner Kies (7 Punkte).
Im folgenden Jahr 2002 stürmte Frank Reinemer im Rekord-Feld von 71 Teilnehmern einem „Start-Ziel-Sieg“ entgegen und erreichte stolze 8 Punkte, Top-Favorit Alexander Matthaei von der SG Porz musste sich mit „nur“ 7 Punkten noch hinter Michael Negele (7,5 Punkte) mit dem dritten Rang begnügen.
Offenbar hatte die angenehme Spielatmosphäre der Bürgerhalle dem Turnier weitere Attraktivität vermittelt, denn 2003 trugen sich 83 Teilnehmer in die Startliste ein, wieder gab es einen eindeutigen Sieger: Oliver Kniest siegte mit 7,5 Punkten vor Karsten Keller und Markus Balduan mit je 7 Punkten.
Erstmalig wurde in diesem Jahr aber deutlich, dass ein Turnier dieser Größenordnung wegen der in der Bürgerhalle durchweg erforderlichen aufwändigen Auf- und Abbauarbeiten etliches Engagement auf Veranstalterseite erfordert. Leider entschloß sich zu diesem Zeitpunkt die Stadt Leverkusen bzw. der SportBund Leverkusen e.V., die (finanzielle) Unterstützung für „Stadtmeisterschaften“ einzustellen, so dass das gesamte „Risiko“ für den Preisfonds seitdem beim SC BAYER Leverkusen liegt.
Zwar gab es 2004 eine marginal geringere Beteiligung (71 Teilnehmer), doch ähnliche Schwierigkeiten bei der Organisation des Aufbaues, denn der vom Vorstand vorgeschlagene „Startgeld-Erlaß“ für hilfswillige Mitglieder hatte eher Verstimmung als die Lösung des Problems ergeben. Diesmal kam kein Alleinsieger zustande, mit je 7 Punkten lagen Oliver Kniest (Wertungsbester), Klaus Vossen und Markus Balduan auf den Spitzenplätzen. Die Preisgelder wurden, nachdem der SportBund keinen eindeutigen Sieger mehr erwartete, nach „System Hort“ vergeben, was bekanntlich nur bedingt dem Kampfgeist der Spitzenspieler förderlich ist. Allgemeinen Anklang (als zusätzlicher Anreiz) fand hingegen die von Dieter Müller organisierte FIDE-ELO-Auswertung des Turniers, die unserem Verein mittlerweile mit Manfred Birnkott und Rolf Schmipf zwei weitere „ELO-Träger“ bescherte.
Auch das Turnier 2005 brachte keinen Entscheidung um Platz eins, aber einen einzigartigen Teilnehmerrekord:
Mit 91 SpielerINNEn und damit zu bewegenden 23 Tischen und 90 Stühlen, 45 Brettern, Uhren und Figurensätzen geriet das kleine Team von Hilfswilligen des Vereins eindeutig in „Überlast“. Gewinner waren die „Zwillings-Senioren“ Efim Rotstein (Sieger erst in der Feinwertung) und Boris Khanukov mit 7,5 Punkten klar vor einem Fünfer-Pulk vor Spielern mit 6,5 Punkten, darunter einmal mehr unser Werner Kies trotz seiner Doppelbelastung als Turnierleiter.
Klarer Sieger des Jahres 2006 wurde unter 74 TeilnehmerINNEn der für Solingen aktive FM Markus Balduan, der letztes Jahr pausiert hatte, mit 6 Punkten vor den Siegern von 2005, Efim Rotstein und Boris Khanukov mit je 5,5 Punkten und einem „Pulk“ von acht Spielern mit je 5 Punkten – somit hat die Beschränkung auf sieben (statt neun) Runden (für den Chronisten erwartungsgemäß) wenig Einfluß auf Interesse und Ergebnis genommen.

Abschließend ein paar Zeilen „Statistik“ aus 18 Jahren „Offene Stadtmeisterschaft:

Zuerst die “ewige Siegerliste“ (für 1997 nicht ganz eindeutig bewiesen*):
Frank Reinemer 1992, 1994, 1997 und 2002; Lutz Siebert 1989, 1991, 1993 und 1996; Markus Balduan 1995, 1999 und 2006; Efim Rotstein 2001 und 2005; Oliver Kniest 2003 und 2004; Alois Kocur 1990; Dmitrii Marcziter 2000 und Michael Negele 1998.
Somit sind 2007 (zählt man Klaus Scharff hinzu) immerhin sechsStadtmeister von Leverkusen“ am Start – wohl ein absoluter Rekord.

Von derzeit Aktiven unseres Vereins sind folgende „Spitzenleistungen“ (bei mindestens 10 Teilnahmen) zu vermelden; es wurde hoffentlich niemand übersehen oder ein Rechenfehler begannen:
Unglaublich, aber wahr ist auf jeden Fall, daß Werner Kies an allen 18 Turnieren als Spieler (und Turnierleiter) maßgeblich beteiligt war und 101 Punkte erzielte (aus 160 Partien, also mehr als 63 %). Jetzt geht Werner bei der 19. Auflage ohne organisatorische Verpflichtung ins Rennen, das hat er sich redlich verdient und ein herzlicher Dank an ihn für seinen über ein Jahrzehnt währenden Einsatz für dieses Turnier.
Auf immerhin 13 Teilnahmen kam Martin Prüß (63,5 Punkte = 54 %), zwölfmal dabei war Karl-Heinz Sockel (64,5 Punkte, was knapp 60% entspricht). Ihr Berichterstatter, Michael Negele, der nach seinem Umzug nach Solingen in den neunziger Jahren des öfteren auf eine Teilnahme verzichten mußte, errang 71 Punkte in 12 Turnieren (knapp 67%) und „last not least“: Unsere „First Lady“, Margit Pöhler, die bis zum Jahr 2000 regelmäßig (insgesamt wohl zehnmal) teilnahm, kam auf sehr beachtliche 46,5 Punkte (knapp 52%) und wurde wiederholt „Stadtmeisterin“, wenn dieser Titel ausgelobt war.

(Gekürzte und leicht aktualisierte Version eines Beitrages für Tschaturanga Nr. 30
Saison 2005/2006, S. 41-54, die Verwendung – auch in Auszügen – ist nur unter Verweis auf den Autor erlaubt.)

 

* Nach Veröffentlichung des Artikels stellte sich heraus, dass es im Jahre 1997 in der Tat zwei Stadtmeister gab, da alle Stichkämpfe zwischen Lutz Siebert und Frank Reinemer keinen Sieger hervorbrachten. Lutz Siebert steht damit an der Spitze der "ewigen Siegerliste" der Stadtmeisterschaften.